Immer wieder hört man von der Wichtigkeit seine Blicke vor fremden Frauen zu senken. Warum sollte man das machen und worin liegt der Sinn?

25. November 2020 / Kleidung und SchmuckVerschiedenes /
Immer wieder hört man von der Wichtigkeit seine Blicke vor fremden Frauen zu senken. Warum sollte man das machen und worin liegt der Sinn?


Antwort:

Imām ibn al-Qayyim (Möge Allāh seiner Seele gnädig sein) sagte in seinem Buch "Die Krankheit und die Heilung" zu diesem Thema Folgendes:
Der Blick ist ein giftiger Pfeil von Iblīs. Wer seine Blicke nicht senkt, erlebt tiefes, langanhaltendes Bedauern. Im Senken des Blickes liegen viele Vorzüge:
Erstens: Man befolgt die Anordnung Allāhs und ist Ihm gegenüber gehorsam, was die vollkommene Freude und Glückseligkeit im Diesseits und Jenseits bedeutet. Es gibt nichts, was einem im Jenseits mehr nutzen wird, als die Befolgung Seiner Befehle. Alles Übel, alles Leid, jede erdenkliche Qual resultiert aus der Nichteinhaltung der Befehle Allāhs.
Zweitens: Durch das Senken des Blickes wird verhindert, dass der giftige Pfeil — in dem sein Verderben liegen könnte — zu seinem Herzen gelangt.
Drittens: Man spürt durch das Senken des Blicks die Geborgenheit Allāhs und die Nähe zu Ihm. Denn das Nichtsenken des Blicks zersprengt das Herz, hält es von Allāh fern und hat nur negative Folgen auf das Herz. Es wird einsam und allein, fern von seinem Herrn.
Viertens: Das Herz wird gestärkt und mit Freude erfüllt. Wird der Blick nicht gesenkt, wird das Herz geschwächt und in Trauer versetzt.
Fünftens: Das Herz wird mit Licht erhellt. Senkt man nicht den Blick, wird das Herz dunkel und finster. Deshalb hat Allāh die Anordnung die Blicke zu senken in der Sūra an-Nūr (das Licht) vor dem Vers des Lichts genannt: „Sag zu den gläubigen Männern, sie sollen ihre Blicke senken und ihre Scham hüten.“ [24 : 30]                                                                 
Dann heißt es: „Allāh ist das Licht der Himmel und der Erde. Das Gleichnis seines Lichtes ist das einer Nische, in der eine Lampe ist.“ [24 : 35]        
Sprich, das Gleichnis Seines Lichtes im Herzen Seines gläubigen Dieners, der sich an die Befehle Allāhs hält und seine Verbote zu begehen meidet. Wenn das Herz erhellt wird, kommt das Gute auf den Menschen von allen Seiten zu. Auch wenn es mit Dunkelheit gefüllt ist, kommt das Böse und Schlechte von überall auf ihn zu. Geschieht das Gegenteil, wird das Herz finster und alles Böse und Schlechte sucht Zugang in dieses Herz. Alle Formen von Erneuerungen, Irrwegen, Befolgung der Neigung, Meiden von Rechtleitung, Abkehren von den Ursachen für die Glückseligkeit und Beschäftigung mit den Ursachen für das Elend, wird durch das Licht des Herzens erhellt. Fehlt dieses Licht, bleibt der Besitzer dieses Herzens ein Blinder, der in den Dunkelheiten umherirrt.
Sechstens: Das Senken des Blicks hat des Weiteren den Vorzug, dass man einen guten Scharfsinn entwickelt, mit dem man nahezu immer richtig liegt, das Wahre vom Unwahren erkennt, den Lügner vom Ehrlichen. Schudschāʿ al-Karmanī pflegte zu sagen: „Wer sein Sichtbares mit der Befolgung der Sunna füllt und sein Verborgenes mit der ständigen Selbstbeobachtung, seine Blicke vor dem Verbotenen senkt, sein Ego von den Begierden fernhält und nur Erlaubtes speist, verfehlt durch seinen Scharfsinn keine Angelegenheit.“ Schudschāʿ hatte einen sehr guten Scharfsinn.
Allāh, der Gepriesene, vergeltet dem Diener seine Taten nach der Art der Tat, die er verrichtet hat. Wer etwas für Allāh unterlässt, dem ersetzt Er dies mit etwas Besseren. Wer seine Blicke vor verbotenen Anblicken senkt, dem ersetzt Allāh dies mit dem Licht des Tiefblickes. Zudem erleichtert Er ihm den Weg zum Wissen, Glauben, der Erkenntnis und der korrekten und wahrhaftigen Menschenkenntnis, die nur durch den Tiefsinn im Herzen erlangt werden kann.
Allāh beschreibt die Lūtiyya (Das sind diejenigen unter den Männern, die mit anderen Männern Geschlechtsverkehr haben.) mit dem Umherirren, was das Gegenteil zum Tiefsinn ist. So sagt der Erhabene: „Bei deinem Leben, sie irrten wahrlich in ihrer Trunkenheit umher.“ [15 : 72]                                                                                                  
Er hat sie mit der Trunkenheit beschrieben, die auf die Verderbtheit des Verstandes hindeutet und dem Umherirren, was auf die Verderbtheit des Tiefsinnes hinweist. Die Gebundenheit zu Bildern führt zwangsläufig zur Verderbtheit des Verstandes, zur Verwirrung des Tiefsinns und zur Trunkenheit
des Herzens. Wie der Dichter sprach:
Zwei Arten von Trunkenheit: Die Trunkenheit der Neigung und die Trunkenheit des Weines. Wie soll jemand nüchtern werden, der zwei Trunkenheiten hat?
Ein anderer Dichter sprach:
Sie sagten zu mir: „Du bist durch deine Liebe verrückt geworden.“ Woraufhin ich sprach: „Die Liebe ist die höchste Form von Verrücktheit. Der Liebende wird sein Leben lang nicht genesen, währenddessen der Verrückte im selben Moment.
Siebtens: Im Herzen wird Standhaftigkeit, Mut und Stärke verankert. Allāh lässt ihn Tiefsinn und Verständnis mit Fähigkeit und Stärke vereinen. In einer Überlieferung heißt es: „Wer seinem Ego widerspricht, vor dessen Schatten flieht der Teufel.“
Im Gegensatz dazu findet man bei demjenigen, der seine Neigung befolgt Erniedrigung, Schwäche, Labilität und Demütigung. Dinge, die Allāh in die Herzen der Sünder, die sich nicht an die Gebote Allāhs und Seine Befehle halten, gelegt hat. So wie einst al-Ḥasan al-Baṣrī sprach: „Selbst wenn sie auf ihren Maultieren galoppieren und sie auf ihren Pferden im Schrittgang reiten sollten, so wird die Schmach der Sünde ihre Herzen nicht verlassen. Allāh wollte es, dass diejenigen erniedrigt werden, die sich Ihm widersetzen.“
Allāh, der Gepriesene, legte fest, dass Macht mit Gehorsam kommt und Demütigung mit Ungehorsam. So sagt Er, der Erhabene: „Doch Allāh gehört die Macht, und auch Seinem Gesandten und den Gläubigen.“ [63 : 8]                                                                 
Und Er sagt: „Und werdet nicht schwach noch seid traurig, wo ihr doch die Oberhand haben werdet, wenn ihr gläubig seid.“ [3 : 139]                
Der Glaube besteht aus Worte und Handlungen, sowohl nach außen als auch nach innen hin, so sagt Allāh, der Erhabene:
„Wenn immer einer die Macht anstrebt, so gehört alle Macht Allāh. Zu Ihm steigt das gute Wort hinauf, und die rechtschaffene Tat hebt Er (zu sich) empor.“ [35 : 10]
Sprich, wer Macht möchte, soll diese mithilfe des Gehorsams gegenüber Allāh erlangen, sowohl durch die guten Worte als auch durch rechtschaffene Taten.
Im Qunūt-Bittgebet heißt es: „Derjenige, den Du in Schutz nimmst, wird nicht erniedrigt, und niemand, den Du zum Feind nimmst, wird mächtig sein.“(at-Tirmiḏī, 464; ṣaḥīḥ nach al-Albānī.)
Wer Allāh gehorcht, den nimmt Er in Schutz und erhält entsprechend seines Gehorsams Macht. Wer ihm gegenüber ungehorsam ist, den wird Er anfeinden und er erhält Erniedrigung entsprechend seines Ungehorsams.
Achtens: Durch das Senken des Blicks wird dem Teufel der Zugang ins Herz verwehrt, denn er gelangt durch den Blick in das Herz schneller als die Luft in ein Vakuum. Er spielt ihm immer wieder das Bild vor, welches er betrachtet hat und verschönert es, er macht es zu einem Götzen, den das Herz verehrt. Dann macht er ihm Versprechungen und weckt in ihm Wünsche. Er zündet über dem Herz das Feuer der Begierde, legt auf das Herz das Brennholz der Sünden, die er ohne dieses Bild nicht begangen hätte. Das Herz befindet sich in einem lodernden Feuer. Durch dieses lodernde entstehen die Atemzüge voller Feuerglut, das Seufzen und Stöhnen. Das Herz ist vollen allen Seiten vom Feuer umgeben. Er befindet sich mittendrin, wie ein Schaf in einem Ofen. Aus diesem Grund ist die Strafe für diejenigen, welche solche verbotenen Bilder lieben, dass für sie im Barzach ein Ofen voller Feuer vorbereitet wurde, in dem ihre Seelen bis zum Tag der Versammlung ihrer Körper gefangen werden. So hat es Allāh, der Erhabene,
Seinem Propheten — Allāh segne ihn und gebe ihm Heil! — im Schlaf gezeigt, wie es nach dem Konsens der Gelehrten im authentischen Ḥadīṯ überliefert wurde.
Neuntens: Es leert das Herz so, dass es sich mit seinem Nutzen beschäftigen kann. Das Entfesseln des Blickes lenkt es davon ab und hindert es daran, so dass er seine Angelegenheit vernachlässigt und der Befolgung seiner Neigung verfällt und das Gedenken seines Herrn vergisst. Der Erhabene spricht:
„Und gehorche nicht jemandem, dessen Herz Wir Unserem Gedenken gegenüber unachtsam gemacht haben, der seiner Neigung folgt und dessen Angelegenheit (durch) Maßlosigkeit (ausgezeichnet) ist.“ [18:28]
Zehntens: Zwischen dem Herzen und den Augen besteht eine wechselwirkende Verbindung. Das eine verbessert sich durch das Verbessern des anderen und umgekehrt. Verdirbt das Herz so verdirbt das Auge und verdirbt das Auge, so verdirbt das Herz. Und so auch in Bezug auf das Verbessern. Ist das Auge verdorben, so verdirbt das Herz und gleicht einer Müllhalde, an welcher sich die Unreinheiten, Dreck und Schmutz sammeln. Es ist dann nicht mehr geeignet für die Erkenntnis über Allāh, die Liebe und reumütige Rückkehr zu Ihm und das Gefühl der Geborgenheit und Freude durch Seine Nähe. Alles davon Gegenteilige wird es bewohnen.
Dies war ein Hinweis auf einige der Vorzüge für das Senken der Blicke, welche aufzeigen sollen, was alles dahinter steckt.
[Imām ibn al-Qayyim, Die Krankheit und die Heilung, S. 321]