Warum belastet Allāh die Gläubigen, die doch viele gottesdienstliche Handlungen vollziehen, mit Krankheit und andere Prüfungen, wohingegen die Sünder alle guten Dinge des Lebens genießen dürfen?

19. Februar 2022 / Muhammad ibn Sālih al-ʿUthaymīn / Glaubenslehre /
Scheich Ibnu ʿUthaymīn (raḥimahullāh) wurde gefragt: Warum belastet Allāh die Gläubigen, die doch viele gottesdienstliche Handlungen vollziehen, mit Krankheit und andere Prüfungen, wohingegen die Sünder alle guten Dinge des Lebens genießen dürfen?


Er sagte:

Alles Lob gebührt Allāh. Diese Frage kann auf zwei Arten gestellt werden, entweder als Einwand oder als Streben nach dem Verstehen. Wenn sie als Einwand gestellt wird, dann ist dies ein Anzeichen für die Unwissenheit des Fragestellers. Denn die Weisheit Allāhs ist zu gewaltig, als dass unser Verstand sie begreifen könnte. Allāh sagt (ungefähre Bedeutung): „ Sie fragen dich (oh Muhammad) nach dem Geist (al-Rūh). Sag: Der Geist ist vom Befehl meines Herrn, euch aber ist vom Wissen gewiss nur wenig gegeben.“ (17:85).
Dieser Geist ist etwas, das in uns ist und es ist die Essenz unseres Lebens, doch wir kennen ihn nicht und die Philosophen und Denker sind nicht in der Lage, ihn zu definieren und beschreiben. Wenn wir – abgesehen von dem, was in qurʿān und Sunnah beschrieben wurde – unfähig sind, irgendetwas von diesem Geist zu wissen, welcher uns von der gesamten Schöpfung am Nahesten steht, was soll dann mit den Angelegenheiten sein, die darüber hinausgehen? Allāh ist der Allweise, Allgewaltige, Majestätische und Allmächtige und wir müssen uns Seinem Willen und Seiner Bestimmung vollständig unterwerfen, denn wir können das letztendliche Ziel Seiner Weisheit nicht erfassen. Auf dieser Basis lautet die Antwort auf die Frage, dass wir sagen sollten: Allāh weiß es am besten und Er ist der Allweise, Allmächtige und Allgewaltige.
Wenn die gestellte Frage das Streben nach Verständnis darstellt, dann sagen wir dem Fragesteller: Der Gläubige unterliegt Prüfungen und Allāh prüft ihn durch Dinge, die ihm schaden oder ihn verletzen können, wodurch er zwei gewaltige Nutzen erlangt. Der erste davon ist, dass Allāh diesen Menschen hinsichtlich seines Glauben prüft, um zu sehen, ob er aufrichtig ist oder wankelmütig. Der Gläubige, dessen Glaube aufrichtig ist, wird den Willen und die Bestimmung Allāhs geduldig annehmen und darin nach Lohn streben. In diesem Fall wird die Angelegenheit für ihn erträglich. Es wurde berichtet, dass eine der Dienerinnen Allāhs einen Schnitt oder eine andere Wunde am Finger hatte, doch sie beschwerte sich nicht über den Schmerz oder zeigte irgendein Zeichen des Leids. Sie wurde darüber befragt und sagte: „Die Süße des Lohns ließ mich die Bitterkeit des Leids vergessen.“ Der Gläubige strebt nach dem Lohn Allāhs und unterwirft sich Ihm vollständig – das ist einer der Nutzen.
Der zweite Nutzen ist, dass Allāh diejenigen lobt, die geduldig sind, und Er ist mit ihnen und wird ihnen einen Lohn ohne Maß geben. Geduld ist ein hoher Rang, der nur von jenen erlangt werden kann, die ihre Prüfungen mit Geduld ertragen. Wenn jemand sie geduldig übersteht, dann erlangt er diesen hohen Rang, der großen Lohn mit sich bringt. Wenn Allāh also die Gläubigen mit Dingen prüft, die sie schmerzen, dann geschieht das, damit sie den Rang eines Geduldigen erlangen können. Daher erlitt der Gesandte Allāhs ﷺ, der beste aller Menschen in Glauben, Frömmigkeit und Gottesfurcht, zweimal den Schmerz der Krankheit und er ﷺ litt sehr zum Zeitpunkt seines Todes, sodass er tatsächlich den Status desjenigen erlangte, der geduldig ist. Er ﷺ war der Geduldigste der Geduldigen. Dadurch wird die Weisheit Allāhs hinter den Prüfungen des Gläubigen durch solche Unglücke deutlich.
Was die Gaben Allāhs an die Sünder, Übeltäter, unmoralischen Menschen und Kuffār hinsichtlich guter Gesundheit und reichlicher Versorgung anbelangt, so liegt dies daran, dass sie mit ihren Sünden, für die sie später hart bestraft werden, fortfahren sollen. Es wurde berichtet, dass der Prophet ﷺ sagte: „Diese Welt ist ein Gefängnis für den Gläubigen und ein Paradies für den Kāfir.“ Ihnen werden diese guten Dinge gegeben, sodass sie ihre guten Dinge früher erhalten, in dieser Welt, und am Tag der Auferstehung werden sie das bekommen, was sie an Strafe verdienen. Allāh sagt (ungefähre Bedeutung): „Und am Tag, da diejenigen, die ungläubig sind (an die Einheit Allāhs, den islamischen Monotheismus), dem (Höllen-) Feuer vorgeführt werden: Ihr habt eure guten Dinge im diesseitigen Leben dahingehen lassen und sie genossen. Heute wird euch mit der schmählichen Strafe vergolten, dass ihr euch auf der Erde ohne Recht hochmütig zu verhalten und dass ihr zu freveln pflegtet (Allāh ungehorsam wart).“ (46:20).
Der Punkt ist, dass diese Welt für die Kuffār ist, um sich darin auszuleben. Wenn sie in das Jenseits übergehen und das Leben des Diesseits verlassen, in welchem sie Freude hatten, werden sie mit der Qual konfrontiert – wir suchen Zuflucht bei Allāh davor. Die Strafe wird für sie viel härter sein, sie werden gewaltig leiden. Zur selben Zeit verlieren sie sämtliche Freuden und Annehmlichkeiten dieser Welt, die sie so sehr lieben.
Es gibt noch einen dritten Vorzug, den wir den ersten beiden hinzufügen können und den der Gläubige durch Krankheiten und Probleme erlangt, denn der Gläubige wird in ein Reich übergehen, das besser ist als diese Welt. Er wird sich von etwas Schmerzlichem wegbewegen hin zu etwas, das ihm Glückseligkeit und Freude bringt. Seine Freude über die Annehmlichkeiten, die ihm bereitet werden, wird sich noch vervielfachen, denn er hat die Glückseligkeit erlangt und das Leid und die Schwierigkeiten, von denen er betroffen war, werden genommen.
 
[Fatāwā Islāmiyah, Band 1, S. 83]
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