Warum wird mein Bittgebet nicht erhört?

Der ehrenwerte Scheich – möge Allāh, Der Erhabene, sich seiner erbarmen – wurde über jemanden befragt, der bittet und dem die Erhörung des Bittgebetes zu langsam ist und dabei sagt: „Ich bitte Allāh, Den Allmächtigen und Glorreichen, doch Er antwortet mir nicht.“


Er sagte:

Alles Lob gebührt Allāh, Dem Herrn der Welten und ich spreche die Segenswünsche und den Heil auf den Propheten Muhammad, auf seiner Familie und auf all seinen Gefährten aus. Ich bitte Allāh, Den Erhabenen, für mich und meinen muslimischen Brüdern, zur richtigen Glaubenslehre (ʿAqīdah), zur korrekten Aussage und Handlungen zu verhelfen.
Allāh, Der Allmächtige und Glorreiche sagt:
„Euer Herr sagt: ‚Ruft Mich an, so erhöre Ich euch. Gewiss, diejenigen, die sich aus Hochmut weigern, Mir zu dienen, werden in die Hölle gedemütigt eingehen.“ [Ghāfir 40:60]
[In Anbetracht dieses Verses]; der Fragende sagt nun, dass er Allāh, den Allmächtigen und Glorreichen, gebeten und Allāh ihm [sein Bittgebet] nicht erhört hat. Die Realität (al-wāqiʿ) scheint somit im Widerspruch zu diesem edlen Vers (Āyah) zu stehen, in dem Allāh, Der Erhabene versprochen hat, wer Ihn bittet, sein Bittgebet zu beantworten. Denn Allāh, Der Gepriesene und Erhabene, bricht nicht, was Er versprochen hat. Die Antwort hierauf:
Für das Erhören [der Bittgebete] sind Bedingungen vorhanden, welche unbedingt umgesetzt werden müssen. Diese sind:
1. Bedingung:
Die Aufrichtigkeit gegenüber Allāh, Dem Allmächtigen und Glorreichen. Der Mensch muss in seinem Bittgebet aufrichtig sein [und verinnerlichen], dass er sich an Allāh, Den Gepriesenen und Erhabenen, mit einem anwesenden Herzen richtet; ehrlich in seiner Zuwendung zu Ihm sein; in Kenntnis darüber sein, dass Der Allmächtige und Glorreiche dazu fähig ist, die Rufe zu erhören, sowie sich selbst in Erwartung des Erhörens von Allāh, Dem Gepriesenen und Erhabenen, befinden.
2. Bedingung:
Der Mensch soll während seines Bittgebets das Gefühl verinnerlichen, dass er sich in einer Bedürftigkeit, ja sogar in dringender Notwendigkeit zu Allāh, Dem Gepriesenen und Erhabenen, befindet. Und Allāh, Der Erhabene ist ja der Einzige, Der das Bittgebet dessen erhört, der in einer Notlage anruft und dabei das Böse von ihm hinwegnimmt. Doch wenn er Allāh, Den Allmächtigen und Glorreichen, anruft, während er das Gefühl hat, dass er Allāh, Den Erhabenen nicht benötigt und Ihm keine Notwendigkeit gegenüber verspürt, vielmehr fragt er nur so, einzig und allein aus Routine heraus oder zu Testzwecken, wahrlich, so ist er eines Erhörens nicht würdig.
3. Bedingung:
Es muss vermieden werden, seine Versorgung auf unerlaubte (harām) Art und Weise zu erlangen. Denn das unerlaubte Bereichern durch Verbotenes (harām) ist eine Barriere (Hindernis) zwischen dem Menschen und dem Erhören [des Bittgebetes]. So wurde im Ṣahīh-Werk authentisch über den Propheten – Allāh segne ihn und gebe ihm Heil! – überliefert, dass er sagte: „O ihr Menschen, wahrlich Allāh ist Gut und er akzeptiert nichts außer dem, was gut ist. Allāh hat den Gläubigen das auferlegt, was Er auch den Gesandten auferlegt hat. Er sagt:
„O ihr Gesandten, esst von den guten Dingen und handelt rechtschaffen; gewiss, Ich weiß über das, was ihr tut, Bescheid.‘‘[23:51]              
und Er sagt:
„O die ihr glaubt, esst von den guten Dingen, mit denen Wir euch versorgt haben, …‘‘[2:172]                                                                                   
Dann erwähnte er einen Mann, der eine lange Reise auf sich nahm und der zerzaust und schmutzig war, seine Hände gen Himmel hob und sagte: ‚O Herr, o Herr!‘, doch sein Essen war Verbotenes (harām), sein Getränk war Verbotenes (harām), seine Kleidung war Verbotenes (harām), er wurde mit Verbotenem (harām) aufgezogen – wie also kann er eine Antwort erhalten?“[1]
Der Prophet – Allāh segne ihn und gebe ihm Heil! – hat es ausgeschlossen, dass diesem Mann [sein Bittgebet] erhört würde, obwohl er die äußerlichen [optische] Gründe für das Erhören erfüllte:
Erstens:
Das Heben der Hände gen Himmel, also zu Allāh, Dem Allmächtigen und Glorreichen. Denn Er ist erhaben über dem Himmel, über dem Thron und das Erheben der Hände gebührt Allāh, Dem Allmächtigen und Glorreichen. Und so wie es im Ḥadīṯ steht, den Imām Ahmad in seinem Musnad-Werk überlieferte, gehört das auch zu den Gründen für das Erhören [eines Bittgebets]. „Wahrlich, Allāh ist wahrhaftig schamhaft und edelmütig. Er schämt sich von Seinem Diener, wenn er seine Hände zu Ihm ausstreckt, sie leer zurückzuweisen.“[2]
Zweitens:
Dieser Mann bat Allāh, Den Erhabenen, mit dem Eigennamen „Der Herr“ (ar-Rabb). Und das Benutzen dieses Mittels, mit dem Namen (ar-Rabb), um Allāh, Den Erhabenen, näher zu kommen (Tawassul) gehört mit zu den Ursachen für das Erhören. Der Herr (ar-Rabb) ist nämlich „Der Schöpfer“ und „Der Herrscher von Allem“, Der Verwalter aller Angelegenheiten, in Dessen Hand sich die Zügel der Himmel und der Erde befinden. Deswegen findet man im edlen qurʿān die meisten Bittgebete mit diesem Namen beginnend.
„Unser Herr, gewiss wir hörten einen Rufer, der zum Glauben aufrief: Glaubt an euren Herrn. Da glaubten wir. Unser Herr, vergib uns unsere Sünden, tilge unsere bösen Taten und berufe uns ab unter den Gütigen.“ [Āl-‘Imrān 3:193]
„Unser Herr, und gib uns, was Du uns durch Deine Gesandten versprochen hast, und stürze uns nicht in Schande am Tag der Auferstehung. Gewiss, Du brichst nicht, was Du versprochen hast.“ [Āl-‘Imrān 3:194]
„Da erhörte sie ihr Herr: „Ich lasse kein Werk eines (Gutes) Tuenden von euch verlorengehen, sei es von Mann oder Frau; die einen von euch sind von den anderen. Denen also, die ausgewandert und aus ihren Wohnstätten vertrieben worden sind und denen auf Meinem Weg Leid zugefügt worden ist, und die gekämpft haben und getötet worden sind, werde Ich ganz gewiss ihre bösen Taten tilgen und sie ganz gewiss in Gärten eingehen lassen, durcheilt von Bächen, als Belohnung von Allāh.“ Und Allāh – bei Ihm ist die schöne Belohnung.“ [Āl-‘Imrān 3:195]
Das Ersuchen der Nähe zu Allāh, Den Erhabenen (Tawassul), mit diesem Namen gehört zu den Ursachen des Erhörens.
Drittens:
Dieser Mann war ein Reisender und die Reise gehört meistens zu den Ursachen des Erhörens. Der Mensch verspürt auf einer Reise die Bedürftigkeit Allāhs U. Die Abhängigkeit in der befindlichen Notlage zu Ihm ist auf der Reise größer, als wenn er bei seiner Familie anwesend wäre, insbesondere früher war es so. Er hatte zerzaustes Haar und war schmutzig, so als ob er sich um sein Selbst keine Gedanken gemacht hätte. So als ob das Wichtigste für ihn das Wenden zu Allāh ist, sodass er Ihn unbedingt anruft, unabhängig von seinem eigenen Gemütszustand, ob zerzaust und schmutzig oder edel. Derjenige, der zerzaustes Haar hat und staubbedeckt ist, hat Wirkung auf das Erhören [des Bittgebetes], so steht in einer Aussage, welche von dem Propheten – Allāh segne ihn und gebe ihm Heil! – überliefert wurde, dass Allāh, Der Erhabene, am Vorabend des Tages von ‘Arafah zum untersten Himmel herunterkommt. Und den Engeln rühmt Er die Stehenden [in ʿArafah] sagend: „Sie sind [wegen Mir] gekommen, ungekämmt und staubig und aufopfernd aus jedem tiefen Abgrund.“[3]
Diese Ursachen wirkten sich jedoch nicht auf das Erhören des Bittgebetes aus, aufgrund der Tatsache, dass sein Essen und Trinken aus Verbotenem (harām) bestand, seine Kleidung aus Verbotenem bestanden und er sich von Verbotenem ernährte. Der Prophet – Allāh segne ihn und gebe ihm Heil! – sagte: „… wie also kann er eine Antwort erhalten?“
Dies sind die Bedingungen für ein Erhören des Bittgebetes. Sollten diese nicht zutreffen, so wird das Erhören gewiss weit entfernt sein und wenn sie zutreffen und Allāh den Bittenden nicht erhört, dann liegt das einzig an Seiner Weisheit, welche nur Allāh – Er ist mächtig und erhaben – kennt. Der Bittende kennt diese [Weisheit] jedoch nicht. Aber vielleicht ist euch etwas lieb, während es schlecht für euch ist. Doch wenn diese Bedingungen zutreffen und Allāh – Er ist mächtig und erhaben – nicht erhört, so wird ihm entweder etwas von dem Schlechten, was gewaltiger ist, abgewehrt werden oder es wird ihm bis zum Tage der Auferstehung aufbewahrt, wodurch sich die Belohnung (adschr) mehrt und mehrt! Denn dieser Bittende, welcher die Bedingungen erfüllte, Allāh anrief und der dennoch nicht erhört wurde und dem auch nichts von dem Schlechten, was gewaltiger wäre, verwehrt geblieben ist, mag zwar die Ursachen erfüllt haben und dennoch blieb ihm das Erhören aufgrund Seiner Weisheit verwehrt, so wird ihm die Belohnung (adschr) zweimal gegeben: Einmal für sein Bittgebet und einmal für sein Unglück trotz keines Erhörens, dann wird es ihm bei Allāh – Er ist mächtig und erhaben – aufbewahrt, was dementsprechend gewaltiger und vollkommener ist. Des Weiteren ist ebenso wichtig, dass der Mensch das Erhören nicht als zu langsam empfindet, denn das gehört zu den Ursachen für das Ausbleiben des Erhörens. In einem Ḥadīth sagte der Prophet – Allāh segne ihn und gebe ihm Heil: „‚Euch wird erhört werden, wenn ihr nicht voreilig seid.‘ Daraufhin sagte jemand: ‚Und wie ist man voreilig, o Gesandter Allāhs?‘ Er sagte: ‚Indem er sagt: ‚Ich habe Allāh gebeten, doch Allāh erhört mich nicht.‘‘“[4]
Der Mensch darf das Erhören nicht als zu langsam eintreffend betrachten und aus Erschöpfung vom Bittgebet ablassen. Vielmehr soll er auf das Bittgebet beharren, denn wahrlich jedes Bittgebet, mit dem du Allāh – Er ist mächtig und erhaben! – anrufst, ist ein Gottesdienst (ʿIbādah), welcher dich Allāh, der Erhabene, nähert. Auch mehrt es deine Belohnung (adschr).
So wisse mein lieber Bruder, dass du Allāh taʿālā bitten sollst. In jeder Hinsicht, sei es die Allgemeine oder die Spezifische, die Schwere oder die Einfache.
Würde das Bittgebet auch nur als Gottesdienst für Allāh – Er ist mächtig und erhaben! – gelten, so wäre es schon wert genug, darauf Acht zu geben und Allāh ist der Verleiher des Erfolgs.
[Scharh Duʿāʾ al-Qunūt, Muhammad Ibn Sālih al-ʿUthaymīn,  übersetzt von Eyad Hadrous]
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[1] Muslim; Kitāb az-zakāh, bāb qubūl as-sadaqah …, (Nr. 1015)
[2] at-Tirmidhī; Kitāb ad-da‘ūat, bāb fī du‘ā’ an-nabī … (Nr. 3556) , Abū Dāwūd; Kitāb as-salāh, bāb ad-du‘ā, (Nr. 1488), Ibn Māǧah; Kitāb ad-du‘ā, bāb rafi‘ al-yadayn fī ad-du‘ā, (Nr. 3865)
[3] Kitāb Sahīh Ibn Chuzaymah, bāb al-mudschalad ar-rābi‘ (Nr. 2840)
[4] Buchārī; Kitāb ad-da‘ūat, bāb yastadschāb lil ‘abd mā lam yu‘adschil (Nr. 6340), Muslim; Kitāb adh-dhikr wad-du‘ā’…bāb bayān ’anahu yastadschāb lildā‘ī mā lam yu‘adschil … (Nr. 2735)
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